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Beitrag aktualisiert am 23. Februar 2022
Die neue Ampel-Koalition (SPD, Grüne und FDP) hat angekündigt, das Transsexuellengesetz abzuschaffen und mit einem überarbeiteten Selbstbestimmungsgesetz zu ersetzen. Das sind gute Neuigkeiten für uns queere Personen. Was bedeutet diese Änderung konkret?
- Das Transsexuellengesetz bestimmt über transsexuelle Menschen.
- Ein Selbstbestimmungsgesetz lässt die Menschen selber über ihr Geschlecht bestimmen.
Heute ist es sehr kompliziert, seinen Geschlechtseintrag beim Standesamt ändern zu lassen:
- Bestätigung der Transsexualität durch Psychotherapeuten nötig
- Zwei Gutachten einholen, durch die Kosten von Höhe 1.500 Euro entstehen
- Änderung nur über Gerichtsverfahren / richterlichen Beschluss
Das ist sehr unmenschlich und daher ist die Abschaffung vom Transsexuellen-Gesetz auch eine gute Idee. Mehr dazu weiter unten.
Unter dem Punkt “Queeres Leben” auf der Seite 119 + 120 im Koalitionsvertrag werden folgende für uns relevante Vorhaben erwähnt:
Aktionsplan zum Schutz vor Queerfeindlichkeit
Queere Menschen werden in der Öffentlichkeit häufig diskriminiert, das geht sogar so weit, dass viele sich nicht frei draußen bewegen können. Hier will das Bündnis einen Aktionsplan erstellen, in dem Aufklärungsarbeit organisiert und finanziert wird.
Transphobie und Homophobie wird im Strafgesetzbuch explizit aufgenommen, und zwar im §46 Grundsätze der Strafzumessung. Dadurch werden geschlechtsspezifische und homosexuellenfeindliche Beweggründe im Grundsatz als Straftat angesehen. Bisher ist hier lediglich die Rede von sonstige menschenverachtende Beweggründe.
Hasskriminalität aufgrund des Geschlechts und gegen queere Menschen soll von der Polizei zukünftig als eigene Straftat erfasst werden. Wodurch u. a. Gewalt und Diskriminierung gegen Queere Menschen statistisch erfasst werden.
TSG wird Selbstbestimmungsgesetz
Das Transsexuellengesetz stammt aus dem Jahr 1981 und ist nicht mehr zeitgemäß. Das Gesetz regelt vor allem die Vorgaben zum Ändern des Geschlechtseintrags (Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit), was u. a. eine Voraussetzungen dafür ist, Krankenkassen zur Kostenübernahme einer Geschlechtsangleichung zu verpflichten.
Das Verfahren ist derzeit sehr kompliziert und vielen Transpersonen wird das Ändern ihres Geschlechtseintrags verweigert. da die Gutachter dem nicht zustimmen.
Änderung des Geschlechtseintrags – TSG / SBG
Der berühmte §9 im TSG gibt vor, dass eine Änderung des Geschlechtseintrags nur über ein gerichtliches Verfahren möglich ist und laut TSG §4 muss die Person Gutachten von 2 unterschiedlichen Ärzten vorlegen.
Werden die Gutachten während dem Gerichtsverfahren eingeholt, muss die Person die Kosten selber übernehmen und die liegen bei 1500 €.
Bei der Bestrebung einer Geschlechtsangleichung ist der Aufwand durchaus vertretbar. Allerdings ist das Verfahren für Personen, die lediglich den Geschlechtseintrag ändern möchten, genau so kompliziert. Was auch der Grund dafür ist, dass bisher so wenige queere Menschen ihren Geschlechtseintrag zu Divers geändert haben.
In Schleswig Holstein hat der amtliche Vordruck zur Änderung des Geschlechtseintrags übrigens nicht einmal die Option Divers vorgesehen, was gut zeigt, wie weit hinten manchen Behörden mit der Thematik hängen.
Mit dem neuen Selbstbestimmungsgesetz wird das gerichtliche Verfahren abgeschafft und es wird möglich per Selbstauskunft beim Standesamt seinen Geschlechtseintrag ändern zu lassen. Dadurch wird dann auch die Änderung des Vornamens einfacher.
Krankenkassen sollen verpflichtet werden, die Kosten für geschlechtsangleichende Maßnahmen vollständig zu übernehmen. Mit welchen Voraussetzungen dies verbunden ist, wird nicht weiter erläutert. Ich gehe davon aus, dass dafür weiterhin ein ärztliches Gutachten nötig sein wird.
Varianten der Geschlechtsentwicklung
Mit Varianten der Geschlechtsentwicklung sind Menschen gemeint, die mit Abweichung der Geschlechtsentwicklung geboren worden sind, wie z. B. Intersexuelle. Hier soll ein nicht weiter erläutertes Gesetz zum Schutz dieser Kinder verabschiedet werden und Trans- sowie Inter-Personen erhalten eine Entschädigung, falls in der Vergangenheit das Geschlecht per Operation verändert wurde. Aktuell fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage, um einen Schadenersatz für Geschlechtsverstümmlung zu erhalten.
Schwulenheiler
Schwulenheiler ist ein populistischer Begriff und bezeichnet Ärzte und Psychotherapeuten, die Behandlungen durchführen, mit denen homosexuelle und queere Personen umgepolt werden sollen (Konversionsbehandlungen).
Die Koalition will ein Verbot dieser Behandlungen per Gesetz prüfen.
Blutspendeverbot
Aktuell gibt es noch ein Blutspendeverbot für Männer und Trans-Personen, die Sex mit anderen Männern haben. Dieses Verbot soll nun auch endlich aufgehoben werden.
Regenbogenfamilien
Regenbogenfamilien sind Familien, bei dem mindestens ein Elternteil homosexuell oder transgeschlechtlich ist. Die Ampel-Koalition will sich dafür einsetzen, dass in der EU gleichgeschlechtliche Ehen und Partnerschaften in allen EU Ländern anerkannt werden und Homophobie sowie andere Diskriminierung soll überall in Europa bestraft werden.
Queere Migranten
Queere Migranten erhalten ein gesondertes Asylverfahren, bei welchem die Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung bei der Rückführung bemessen wird und dies wird ein Grund dafür werden, dass queere Ausländer einfacher ein Bleiberecht in Deutschland erhalten.
Anmerkung
Ein Koalitionsvertrag ist als eine Absichtserklärung zu verstehen und untersteht keinerlei Verbindlichkeit für die Parteien. Ob und wann diese Vorhaben umgesetzt werden, bleibt daher komplett offen. Allerdings ist es sowohl den Grünen als auch der FDP ein wichtiges Anliegen, diese Punkte schnellstmöglich umzusetzen.
Bereits im Mai 2021 wurden von den Grünen und der FDP Gesetzentwürfe zur Abschaffung des Transsexuellengesetz im Bundestag vorgestellt und darüber abgestimmt. Alle 3 Oppositionen hatten sich in der Zeit mit 461 zu 181 Stimmen dagegen entschieden. Es bleibt daher spannend, wie eine erneute Abstimmung ausgehen wird.
Update-Ticker
Bleibe auf dem Laufenden mit meinem Update Ticker. Diesen Ticker erweitere ich immer, wenn es wirklich interessante Entwicklungen zu diesem Thema in der Politik gibt.
16.02.2022 – Tessa Ganserer: Transsexuellengesetz schnell abschaffen
Tessa Ganserer ist eine Transfrau, die Mitglied im deutschen Bundestag ist (Bündnis 90/Die Grünen). Sie ist eine der wichtigsten Personen der Koalition, die sich für die Abschaffung des Transsexuellengesetz im Bundestag einsetzt.
Quelle: Sonntagsblatt
Es ist wirklich zu wünschen, dass noch dieses Jahr, der unwürdige Prozess um sein Wunschgeschlecht bürokratisch und physisch anzupassen, deutlich im Sinne der Betroffenen verändert und einsatzfähig beschlossen wird.
Bisher ist es ein sehr langwiriger und beschämender Prozess gewesen, der auch sehr krank macht, weil man erst mal dazu gezwungen ist, sich psychiatrisch pathologisieren und endokrinologisch begrapschen/beschauen zu lassen. Hoffentlich wird das spürbar eingeschränkt.
Ansonsten ist an der Koalition die komplette Abwesenheit feministischer Werte und Forderungen sehr bedauernswert. Zu entschädigen (finanziell und sachgut) sind nicht nur intergeschlechtliche Personen, sondern gerade auch weiblich geborene Personen.
Interessant ist, dass häufig das Geschlecht intergeschlechtlicher Personen nach Geburt chirurgisch an das weibliche Geschlecht angepasst wird. In selteneren Fällen an das männliche. Interg. Personen und weibliche sind entsprechend ganz ähnlicher Diskriminierungen im weiteren Lebenslauf ausgesetzt. Deren kulturelle Teilhabe, Teilhabe an Bildung, Arbeit, Studium, leben in Heimen und Zugang zu Gesundheitsversorgung, Wohnungen’… ist durch unagefochtene patriarchale Strukturen stark begrenzt.
Die größten Probleme für Frauen werden diese Parteien sicher nicht lösen wollen und das ist sehr schade, denn es werden immer mehr Probleme
Die bekannten sind u.a.
Frauen verdienen weiterhin weniger als Männer, obwohl sie vermutlich sogar mehr leisten müssen.
Pornografie und Prostitution ist weiterhin legal für Zuhälter/Freier (Menschenhändler).
Unterhaltungsmedien dürfen ungehindert weiter Szenen darstellen, in denen Frauen- Mädchenkörper jeweils als Ware oder hilfloses Opfer objektifiziert werden.
Der Strafprozess um Vergewaltiger anzuzeigen und dingfest zu machen ist immer noch entwürdigend für die Klägerin der sogar vorgeworfen wird, die Tat selber verschuldet zu haben oder zu lügen oder geistekrank zu sein.
Und gegen Psychologie/psychiatrie Gewalt wird weiterhin nichts unternommen, dabei ist dieser Umgang mit Frauen und „Asozialen“ allgemein nichts anderes als nationalsozialistisch. Polizisten, Ehemann, Verwandte oder Nachbar, Kolllegen können je nach blieben eine ihnen sich „gestört“ verhaltende Frau verleumden lassen und damit beruflich/finanziell und gesundheitlich schädigen. Die Psychopharmaka sind alles andere als gesund und auch nicht gedacht um zu heilen, sondern nur um ruhig zu stellen.
Immerhin haben Magnus Hirschfelds Umdrehungen-Pro-Minute im Grab ein Schwarzes Loch gebildet, das groß genug ist um zumindest eine grundlegende Bereitschaft für Fortschritt zu schaffen.